Dienstag, 1. Dezember 2009

Papst Benedikt XVI und die Liturgie




Über die Liturgie

Das Zweite Vatikanische Konzil hatte ohne Zweifel organisches Wachstum und Erneuerung im Auge. Wir müssen aber sehen, daß es heute weitgehend Tendenzen gibt, die nun einfach Montage und auch Demontage betreiben - und damit etwas tun, was mit dem Wesen der Liturgie unvereinbar ist. Man kann nicht einfach in professoralen Kommissionen erdenken, wie es pastoral besser ankommt; wie es praktischer ist und dergleichen Dinge mehr, sondern man muß mit dem großen Respekt vor dem, was die Fracht der Jahrhunderte in sich trägt, sehen, wo sinnvolle Ergänzungen oder Beschneidungen nötig und möglich sind.

Und das sollte wirklich eine große Mahnung an alle sein, die mit der Liturgie zu tun haben. Sie sollten in diesem Geist des Dienens an dem lebendig Gewachsenen, das uns den Glauben aller Jahrhunderte zubringt, ihren Dienst tun, und nicht als selbstmächtige Könner das Bessere erdenken und fabrizieren wollen.

Die Kritik an der derzeitigen Liturgie ist unüberhörbar geworden. Vielen ist sie nicht mehr heilig genug. Braucht man eine Reform der Reform, um sie wieder heiliger zu machen? Zumindest braucht man wieder ein neues liturgisches Bewußtsein, damit dieser macherische Geist verschwindet. Es ist ja auch soweit gekommen, daß sich Liturgiekreise für den Sonntag selber die Liturgie zurechtbasteln. Was hier geboten wird, ist sicher das Produkt von ein paar gescheiten, tüchtigen Leuten, die sich etwas ausgedacht haben. Aber damit begegne ich eben nicht mehr dem ganz Anderen, dem Heiligen, das sich mir schenkt, sondern der Tüchtigkeit von ein paar Leuten. Und ich merke, das ist es nicht, was ich suche. Das ist zu wenig, und ist etwas anderes. Das Wichtigste ist heute, daß wir wieder Respekt vor der Liturgie und ihrer Unmanipulierbarkeit haben. Daß wir sie wieder als das lebendig Gewachsene und Geschenkte erkennen lernen, in dem wir an der himmlischen Liturgie teilnehmen, Daß wir in ihr nicht die Selbstverwirklichung suchen, sondern die Gabe, die uns zukommt.

Das, glaube ich, ist das erste, daß dieses eigentümliche oder eigenmächtige Machen wieder verschwinden und der innere Sinn für das Heilige erwachen muß. In einem zweiten Schritt wird man dann sehen können, in welchem Bereich sozusagen zuviel weggestrichen wurde, so daß der Zusammenhang mit der ganzen Geschichte wieder deutlicher und lebendiger werden muß. Ich selber habe in diesem Sinn von der Reform der Reform gesprochen. Dies sollte meiner Meinung nach aber zunächst einmal vor allem ein erzieherischer Prozeß sein, der Einhalt gebietet gegenüber einem Zertrampeln der Liturgie mit Selbsterfundenem.

Wichtig für die rechte Bewußtseinsbildung in Sachen Liturgie ist auch, daß endlich die Ächtung der bis 1970 gültigen Form von Liturgie aufhören muß. Wer sich heute für den Fortbestand dieser Liturgie einsetzt oder an ihr teilnimmt, wird wie ein Aussätziger behandelt; hier endet jede Toleranz. Derlei hat es in der ganzen Geschichte nicht gegeben, man ächtet damit ja auch die ganze Vergangenheit der Kirche. Wie sollte man ihrer Gegenwart trauen, wenn es so ist? Ich verstehe, offen gestanden, auch nicht, warum viele meiner bischöflichen Mitbrüder sich weitgehend diesem Intoleranzgebot unterwerfen, das den nötigen inneren Versöhnungen in der Kirche ohne einsichtigen Grund entgegensteht. (Joseph Ratzinger, Gott und die Welt, S. 447 - 449)

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